Herzlich willkommen!
Ich verstehe deine Zweifel absolut, ich hatte sie auch - erschwert dadurch, dass mein "großes" Kind bei Geburt der Zwillinge gerade erst den zweiten Geburtstag gefeiert hatte und rasend eifersüchtig, schwierig und traurig war. Ich finde sowieso von Anfang an, dass es bei Zwillingen die allerallerschwierigste Aufgabe für mich war (und immer noch ist), dass ich noch ein drittes, entthrontes Kind habe, dem ich von heute auf morgen nicht mehr geben konnte, was es brauchte und bislang gewohnt war: ungeteilte 24h7Tag-Aufmerksamkeit. Was haben wir getan? Nun, was wir konnten. Auch mal erfolgreich. Aber hierzu eine Anekdote von einem unerfolgreichen Tag:
Ich habe gehört, ich könnte doch die Zwillinge gemeinsam stillen, schön bequem auf einem Stillkissen, und während dieser 30-45 gemütlichen Minuten in aller Ruhe der Großen ein Bilderbuch vorlesen. So machte es eine mir bekannte Zwillingsmutter, die dieselbe Mischung wie ich zwei Jahre vorher bekommen hatte und mir somit in ihrer weisen Erfahrung weit voraus war. Eine, die trotz des Großen immer mit beiden Zwillingen bei der Rückbildung war (ich war da, konnte aber nie (!) mitmachen, weil IMMER einer gebrüllt hat) und die sogar alleine mit beiden beim Babyschwimmen war. Ich hatte für diesen Still-und-Bilderbuch-Vorschlag nur bitterste Verachtung übrig, denn bei uns lief es so: Gemeinsam Stillen war ein Ding der Unmöglichkeit. Von der Hebamme kam keine Unterstützung, von einem Zwillingskissen wusste ich nichts, einer hat immer abgedockt, geweint, verschluckt, .... Also getrennt. Das lief dann ab und an auch gerne so ab: Ein Zwilling brüllend an der Brust (riesen Stillkrise, die nach mehreren nervzerreißenden Monaten zum Abstillen geführt hat, weil weder Kinderarzt noch Hebamme noch Stillberatung noch Google noch Forum mir helfen konnten, sondern alle ratlos mit den Schultern zucken mussten), der andere Zwilling brüllend und hungrig in der Wippe, die ich mit dem Fuß angestoßen habe, während ich oben an der Brust verzweifelt versucht habe, Tränen in Milch zu verwandeln, dazu eine bockige, ebenso verzweifelte Zweijährige, natürlich alters- und temperamentbedingt immun gegen sanfte Erklärungen und einleuchtende Darstellungen, die endlich auch was von Mama haben und mit ihr spielen wollte (und zwar spielen, was SIE will und natürlich NICHT neben den stillenden Babys!), die aus Prinzip auch Hunger bekam und außerdem SOFORT zum Klo musste. Da komm mir mal einer mit Bilderbuch! Ich war fast immer den ganzen Tag lang alleine mit meinen drei wirklich kleinen Kindern - meine Mutter, die fest eingeplant gewesen war, musste spontan monatelang eine Vertretung übernehmen, mein Mann arbeitet Vollzeit ohne Elternzeit, ich habe alle (!) Freundinnen vor Ort mit Geburt der Zwillinge verloren (erster Kommentar, als ich von Zwillingen erzählte: "Ach du Scheiße, wie willst du das schaffen?!" und dann recht schnell ein Kontaktabbruch von deren Seite), die Hebamme hatte keinen Tipp für mich, hat mich aber wissen lassen, dass sie sich immer freut, wenn sie zu ihren eigenen, ruhigen Kindern zurück darf (danke!), und die Hilfe von der Krankenkasse hat mich jeden Tag kurz vor ihrer Ankunft wissen lassen, dass sie doch heute nicht kann, immer spät genug, damit ich mich nicht um Ersatz kümmern konnte. Dazu dann Nachbarn, die ein heruntergefallenes Spielzeug gerne als persönlichen Angriff auf ihren ungestörten Fernsehnachmittag interpretiert und entsprechend durch Beschimpfungen und wilde Klopfereien quittiert haben, was unsere Lage nicht entspannt hat.
So lief es nicht jeden Tag und nicht den ganzen Tag, aber es hat gereicht, um mir zu beweisen, dass man als Hausfrau und Mutter auch ohne Job genug zu tun hat - und so empfinde ich es noch heute. Und es hat auch gereicht, um mir ebenfalls ein ordentlich schlechtes Gewissen zu machen, wenn man Dinge hört wie "enger Körperkontakt, möglichst Haut an Haut", "am besten immer tragen", "genießt die Kuschelzeit". Kuschelzeit hatte ich beim ersten Kind, dennoch war die Entthronung ein Schock, bei den Zwillingen ist sie einfach ausgefallen. Das heißt nicht, dass sie nie zum Kuscheln kamen, aber eben dieses "wir liegen jetzt Tag und Nacht neben- oder aufeinander auf dem Sofa oder im Bett, sind unzertrennlich und Baby geht immer vor" ist eben nur mit einem Kind möglich - es sei denn, man hat absolut gleichgetaktete Zwillinge von sehr ruhiger Natur und entweder ohne weitere Geschwister oder mit helfenden Erwachsenen, das gibt es sicher auch. So war es bei mir aber nicht.
Das erste Kind habe ich oft getragen, die Zwillinge praktisch nie. Einer der Beiden hat es nicht leiden können, der andere wohl, aber wie soll ich einen Zwilling tragen, den zweiten stillen und die Große aufs Klo begleiten? Ich habe es mal versucht, aber es ist ausgeartet in ständiges Aus- und Anziehen der Traghilfe, am besten eben gerade dann, wenn endlich einer eingeschlafen war. Also das habe ich sehr schnell aufgegeben.
Trotzdem ist bis jetzt aus allen was geworden. Alle haben zu mir und zu den Geschwistern eine enge Bindung. Vom Kindergarten wurde mir immer zurückgemeldet, sie seien ein fest zusammengeschweißtes Team, das zusammenhält. Was will man mehr? Kuschelzeit haben wir uns genommen, wann immer es möglich war. So habe ich dann mal zwei Kinder nach Arbeitsschluss bei meinem Mann "abgeladen", um mit einem Exklusivzeit zu haben, auch sehr früh schon. (Allerdings nur kurz, denn unsere Stillabstände lagen bei 1,5 Stunden, und mein Mann hat sich damit schwergetan, diese Zeiten zu übernehmen
.) Überhaupt haben wir viel aufgeteilt, sodass einer die Große ins Bett brachte, der anderen die Kleinen. Sobald die Große im Bett war, haben wir dann jeder einen Zwilling genommen und versucht, durch die Wohnung tigernd und auf und ab schaukelnd mit der anderen Hand wenigstens ein Butterbrot zu essen... diese Extremphase war kurz, ist uns aber in lebhafter Erinnerung.
Was bei uns Entspannung gebracht hat, war eine elektrische Wippe. Niemals hätte ich mir träumen lassen, dass ich mir so ein Ding mal anschaffen würde, aber es hat Wunder gewirkt. Es war quasi der fehlende Babysitter, der mal ein Baby wenigstens für ein paar Minuten nehmen und schaukeln kann. Dann das Abstillen. So traurig ich auch war und wie viele Tränen auf meiner Seite auch geflossen sind, letzlich war es die beste Entscheidung. Hätte ich eher gewusst, wie viel mehr Entspannung das bringen würde, hätte ich nicht erst nach 5 Monaten abgebrochen. Und dann der Kindergartenplatz für die Große. Der ergab sich zufällig, weil ich in meiner Verzweiflung im Kindergarten angerufen habe und sie die Situation richtig einschätzen konnten. So hatte meine Große wieder das Gefühl, tatsächlich groß zu sein, war ausgelastet und glücklich, ich hatte zweieinhalb Stunden am Tag nur zwei Kinder zu versorgen und war selbst auch ausgeruhter.
Was hilft dir das jetzt? Erstmal möchte ich dir mit meiner Geschichte zeigen, dass doch offenbar alles in Ordnung ist, wenn ein Baby "nur" da liegt und zufrieden ist. Es könnte ja auch wie am Spieß brüllen und sich nicht beruhigen und geschaukelt werden müssen, während das andere aber sofort und sehr großen Hunger hat und sofort an die Brust will. Ein großes Geschwisterchen fällt bei dir auch weg, soweit ich weiß. Und wenn dann dein unbekuscheltes Baby zufrieden da liegt, dann ist es auch zufrieden. Da fehlt nichts. Du kuschelst es dann halt eine Weile später. Kinder brauchen Liebe und Körperkontakt, aber nicht zwangsläufig gleichzeitig und auch nicht ununterbrochen. Kinder leiden, wenn sie nicht gekuschelt werden, aber nicht, wenn sie darauf ein bisschen warten müssen, weil sie eben nicht alleine auf der Welt sind. Du bist immer da, du sperrst ja den "Ungekuschelten" nicht in ein dunkles Kellerverlies, sondern stehst dabei und kümmerst dich derweil um den Zwilling. Du könntest ja auch schon 5 andere Kinder haben, die alle völlig unterschiedliche Bedürfnisse haben. Kinder in Großfamilien sind ja auch nicht im Nachteil, weil Mama ihre Zeit und Liebe auf alle verteilt, und erst recht nicht, weil sie zu wenig gekuschelt hätten. Im Gegenteil, ich schließe mich im Tenor den anderen an: Geschwister sind mehr wert als 100% Mama für 24/7.